Die Wiener Gürtel-Straße - kurz auch "Gürtel" genannt - ist die äußere der beiden Ringstraßen um die Wiener Altstadt und verläuft von der Gürtelbrücke über den Donaukanal bis zur Landstraßer Hauptstraße. Ihr Verlauf folgt der so genannten "Linie", dem äußeren Verteidigungsring um Wien - einem vier Meter hohen und vier Meter breiten, mit Palisaden verstärkten Erdwall mit vorgelagertem, drei Meter tiefem Graben. Der "Gürtel" trennt die ehemals zwischen Stadtmauer und Linienwall liegenden und 1850 eingemeindeten Vorstädte (3. bis 9. Bezirk) von den davor liegenden, größtenteils erst 1892 eingemeindeten Vororten (10. bis 19. Bezirk) der Stadt Wien. Heute ist der "Gürtel" die am stärksten befahrene Straße Österreichs und eine der meistfrequentierten Europas.

 

Der Westgürtel zwischen Donaukanal und Wienfluss (Döblinger Gürtel | Währinger Gürtel | Hernalser Gürtel | Lerchenfelder Gürtel | Neubaugürtel | Europaplatz | Mariahilfer Gürtel | Gumpendorfer bzw. Sechshauser Gürtel) ist geprägt von der ehemaligen Gürtelstadtbahn, die zum Ausgleich der Geländeunterschiede teils in Einschnitten, teils über Viadukte in der Mitte des Straßenzugs verläuft und diesen in einen Inneren und Äußeren Gürtel trennt. Die Stationsgebäude und Viadukte hat Otto Wagner entworfen und wurden ab Februar 1893 errichtet. Wagner hat die Stationsgebäude dort geplant, wo sich früher die Linientore befanden, daher weder in Michelbeuern noch bei der Thaliastraße, wo sie später errichtet werden. 1898 wird die dampfbetriebene Gürtelstadtbahn in Betrieb genommen. Ab 1923 wird sie elektrifiziert und seit 1925 im Wiener Tarifverbund geführt. Seit 1989 verkehrt die U-Bahn-Linie U6 auf der Gürtellinie.

 

Die Station Josefstädter Straße liegt am Schnittpunkt von Hernalser und Lerchenfelder Gürtel (Uhlplatz). Hier steht auch die von Alexander Wielemans entworfene und 1898 dem Heiligen Franz von Assisi geweihte, Breitenfelder Kirche..

 

Auf dem verbleibenden Mittelstreifen zwischen den beiden Fahrbahnen werden bis 1906 fast durchgehend Grünanlagen mit bis zu fünf Baumreihen angelegt. Allerdings wird bald Kritik an der sehr dichten, spekulativen Verbauung zu beiden Seiten des Westgürtels laut. Trotzdem bleibt der Gürtel bis nach dem Zweiten Weltkrieg wegen seines Grünblicks und seiner weiten Perspektiven eine beliebte Wohngegend. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts führt der enorme Verkehrszuwachs auf den mindestens sechs Fahrspuren, der vorerst als Zeichen des Fortschritts gesehen wird, allerdings zu einer drastischen Abnahme der Wohnqualität in den angrenzenden Gebieten; entlang des Westgürtels entsteht zudem die Bordellmeile Wiens ("Gürtelstrich").

 

Seit den 1990er Jahren bekämpft eine bis 1999 von der Europäischen Union geförderte Stadterneuerung die Verslumung am Gürtel und setzt neue urbane Akzente. Im Zuge dessen siedelen sich in den insgesamt 218 so genannten "Stadtbahnbögen" unter den Viadukten der U-Bahn zahlreiche Lokale an, die unter anderem vom starken Verkehrslärm profitierten, weil infolgedessen ihnen kaum Lärmgrenzen gesetzt sind. Diese neue "Gürtelszene" wird von Medien sowie Konsumentinnen und Konsumenten positiv aufgenommen. Ziel des Stadterneuerungsprojekts ist es, das Gebiet längerfristig auch für Fußgängerinnen und Fußgänger attraktiv zu machen und so die Lebensqualität zu erhöhen. Im Zuge diese Projekts wurde unter anderem erhoben, dass der Anteil der Ausländer und Ausländerinnen an der Wohnbevölkerung 34 Prozent beträgt (im Stadtdurchschnitt sind es 24 Prozent), dass der Anteil der vor 1919 errichteten Bausubstanz 65 Prozent beträgt (Wien weit sind es 37 Prozent), dass der Anteil der Wohnungen ohne Toilette bei 41 Prozent liegt (Wien weit sind es 20 Prozent und dass jeder Anwohnerin und jedem Anwohner nur 1 m² Grünfläche zur Verfügung steht (Wien weit sind es 23 m²).

(c) Maclemo (2013), Reste des Linienwalls im Hof Weyringergasse 13
(c) Maclemo (2013), Reste des Linienwalls im Hof Weyringergasse 13

Der im Zickzack verlaufende, rund 13,5 Kilometer lange Linienwall wird auf Vorschlag von Prinz Eugen zum Schutz vor Angriffen der Türken und Kuruzen innerhalb von nur vier Monaten zwischen dem Lichtenthal und dem Sankt Marxer Donauarm als Teil der so genannten "Kuruzenschanzen" zur Sicherung der Grenze gegen Ungarn errichtet. Alle Bewohner Wiens und der Vorstädte zwischen 18 und 60 Jahren werden zu den Arbeiten am Wall verpflichtet oder müssen einen Vertreter stellen. Dieser enorme Einsatz an Menschen macht die rasche Errichtung erst möglich. An den wichtigsten Ausfallsstraßen werden Tore mit Zugbrücken und sogenannten "Linienämtern" errichtet. Militärisch bewähren muss sich die Linie nur im Errichtungsjahr 1704, als die Kuruzen im März und im Juni vor Wien auftauchen, jedoch weiterziehen, als der Wall von der Wiener Bürgerwehr in kürzester Zeit besetzt wird. Die "Linie" entwickelt sich allmählich zur Steuergrenze, die Linienämter werden zu Maut- und Zollstellen, an denen für die Einfuhr von Lebensmitteln die so genannte "Verzehrungssteuer" eingehoben wird, wodurch sich das Leben in der Stadt und den Vorstädten innerhalb der Linie drastisch verteuert. Das hat nachhaltige Auswirkungen insbesondere auf die Gastronomie Wiens, denn in den steuerlich begünstigten Vororten außerhalb der Linie blühen die Wirtshäuser regelrecht auf, da hier Speisen und Getränke deutlich billiger verkauft werden können.

Aus militärischen Gründen darf der Linienwall nicht verbaut werden, wodurch innerhalb der Linie ein 23 Meter breiter und außerhalb der Linie ein 190 Meter breiter unverbauter Streifen verbleiben. Mitte des 19. Jahrhunderts wird die "Linie" immer mehr zum Hindernis der rassanten Entwicklung Wiens. Bereits 1846 werden der Süd- und der Ostbahnhof außerhalb der Belvedere-Linie eröffnet, 1858 folgt der Westbahnhof außerhalb der Mariahilfer Linie. Außerdem hat sich das militärische Bedrohungsbild gewandelt, das Herrscherhaus muss nicht mehr den Feind von außen fürchten, gegen den der militärisch längst obsolet gewordene Wall ohnehin keinen Schutz mehr bietet, sondern den "Feind" im Inneren, die "revoltierenden und marodieren Massen" des Industrieproletariats, die sich im Revolutionsjahr 1848 sogar hinter der Befestigungslinie erfolgreich vor den kaiserlichen Truppen verschanzen. Die neue Verteidigungsdoktrin sieht nun große Kasernen an strategischen Punkten vor, verbunden mit leistungsfähigen Verkehrswegen - Bahnen und breiten Straßen. 1856 wird das Arsenal außerhalb der "Linie" eröffnet. 1858 hebt der Kaiser das Bauverbot an der "Linie" auf und erteilt den Auftrag, eine Gürtelstraße zu trassieren. Am 28.6.1861 genehmigt er diese mit einer Straßenbreite von insgesamt 76 Metern unter der Bedingung, dass die Möglichkeit zum Bau einer Bahn vorgesehen werden müsse. Bereits 1873 wird das erste Teilstück des Gürtels eröffnet. 1874 wird der außerhalb der "Linie" liegende Teil der Wieden als neuer 10. Bezirk Favoriten konstituiert. Mit der Eingemeindung der außerhalb der Linie liegenden Vororte am 1.1.1892 verliert diese auch ihre Bedeutung als Steuergrenze, die an die neuen Außengrenzen der Stadt rückt. Nun gibt es keinen Grund mehr, den Wall nicht abzutragen. 1892 beschließt der Reichsrat mit dem Wiener Stadtbahnbau und der Regulierung des Wienflusses zwei wichtige Projekte zur Fertigstellung des "Gürtels". Ab März 1894 wird der Linienwall endgültig abgetragen und die Gürtelstraße stark ausgebaut.