(c) Wilhelm Balint, Rathaus und Rathauspark Wien
(c) Wilhelm Balint, Rathaus und Rathauspark Wien

Der Wiener Rathauspark liegt auf dem Areal des aufgelassenen Parade- und Exerzierplatzes am Josefstädter Glacis. Geplant wird er von dem Stadtgärtner Rudolf Siebeck im Einvernehmen mit dem Friedrich Schmidt, dem Erbauer des Wiener Rathauses. Der Park ist einerseits Erholungsort, andererseits trägt er gestalterisch den umliegenden bürgerlichen Monumentalbauten Rathaus, Parlament, Universität und Burgtheater Rechnung. Mit der feierlichen Grundsteinlegung für das Rathaus am 14. Juni 1873 wird der Park eröffnet.

Der rund 40.000 m² große Rathauspark ist symmetrisch um den Rathausplatz angeordnet: mit dem so genannten Nordpark zur Universität und dem Südpark zum Parlament hin. Die Blütensträucher, Blumenbeete und Wege im Park sind im Stil eines englischen Landschaftsgarten angelegt. Eine Besonderheit ist der prachtvolle, alte, zum Teil fremdländische Baumbestand: hervorzuheben sind ein japanischer Schnurbaum, ein Fächerblattbaum (Ginkgo) und eine geschlitztblättrige Rotbuche. In beiden Teilen des Parks bildet je ein Springbrunnen den Mittel- und Treffpunkt der Ruhesuchenden. In den identen Rundbecken gibt es je eine kleine Felseninsel, aus denen sich die Wasserfontänen erheben. Die Kosten für die Errichtung der beiden Brunnen wurden von Antonio Gabrielli, dem Erbauer der 1. Wiener Hochquellwasserleitung, getragen. Seit der Inbetriebnahme der 2. Wiener Hochquellenleitung am 2.12.1910 werden die Brunnen mit Wasser aus dem steirischen Salzatal gespeist.

 

Im Park befinden sich zahlreiche Denkmäler. Direkt an der Ringstraße stehen die Denkmäler bekannter österreichischer Politiker und Staatsmänner, darunter auch jenes für Karl Renner, dem Mitbegründer der NATURFREUNDE. Das am 27.4.1967, dem 22. Jahrestag der österreichischen Unabhängigkeit, enthüllte Denkmal für jenen Staatsmann, der bei der Gründung beider demokratischen Republiken an der Spitze des Staates stand, wurde vom Architekten Josef Krawina geplant. Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass die von Alfred Hrdlicka gestaltete Porträtbüste nicht im Zentrum des Denkmals steht, sondern leicht zum Parlament und zum Ring hin verschoben ist. Renners Empfehlung im März 1938, für den Anschluss an Hitler-Deutschand zu stimmen, so der Architekt, habe ihn zu dieser assymetrischen Gestaltung bewogen. Er wolle damit dokumentieren, dass die Bevölkerung nicht einheitlich hinter der Person Karl Renner steht. Eigentlich hätte ein von Architekt Berthold Gabriel und Bildhauer Heinrich Deutsch gestaltetes Denkmal im Rauthauspark an Renners Rolle bei den Staatsgründungen 1918 und 1945 erinnern sollen. Weil dieses den "Stadtvätern" aber zu "modern" war, wurde es 1966 stattdessen im Schweizer Garten am Landstraßer Gürtel aufgestellt (Staatsgründungsdenkmal).

Der zwischen den beiden Parkhälften liegende Rathausplatz ist seit Beginn des 20. Jahrhunderts der wichtigste Ort sozialdemokratischer Kundgebungen.

1905 demonstrieren hier Arbeiterinnen und Arbeiter für ein allgemeines, gleiches, direktes und geheimes Wahlrecht, welches schließlich am 26.11.1907 auch im Reichsrat beschlossen wird, wenngleich vorerst nur für Männer. Am 17.11.1911 gibt es eine Massenkundgebung gegen die enorm gestiegenen Lebensmittelpreise, die zu den so genannten "Teuerungsunruhen" führt.

Seit dem Ende des Ersten Weltkriegs finden hier auch die Maikundgebungen statt. 1933 werden diese aber von der auoritären Staatsregierung verboten. Zehntausende Wienerinnen und Wiener spazieren daraufhin am Ring um die von Polizei und Bundesheer hermetisch abgeriegelte Innere Stadt. Seit 1946 finden jährlich wieder Maifeiern auf dem Rathausplatz statt.

In den letzten Jahrzehnten hat sich der Rathausplatz zu einer der beliebtesten Veranstaltungsstätten der Stadt entwickelt, auf der ganzjährig verschiedene Kulturveranstaltungen stattfinden: die feierliche Eröffnung der Wiener Festwochen, der Lifeball, das Opernfilmfestival im Sommer, der Christkindlmarkt, der Wiener Eistraum und vieles mehr.

Gesäumt wird der Rathausplatz von acht Mamorfiguren bedeutsamer historischer Persönlichkeiten. Diese standen früher auf der Elisabethbrücke, die vor der Karlskirche über den Wienfluss führte.

Karl Renner ([*] 14.12.1870 in Untertannowitz, [+] 31.12.1950) war zweimal österreichischer Staatskanzler (1918-1920 und 1945), zweimal Nationalratspräsident (1920-1923 und 1931-1933) sowie Bundespräsident (1945-1950). Er wächst als eines von 16 Kindern einer Bauernfamilie in Mähren auf, studiert in Wien Rechtswissenschaften und erhält 1895 eine Anstellung in der Parlamentsbibliothek. Zu diesem Zeitpunkt hat er bereits engen Kontakt zu führenden Persönlichkeiten der Sozialdemokratie und beteiligt sich an der Gründung der NATURFREUNDE.

Ab 1899 veröffentlicht Renner zahlreiche politische Schriften, wobei er als Staatsbeamter meist Pseudonyme verwendet. Sein besonderes Interesse gilt der Sozialpolitik und der "nationalen Frage", in der er zum Verfechter einer föderalistischen Neuordnung der österreich-ungarischen Monarchie wird.

1907 wird Renner in den Reichsrat gewählt. 1911 übernimmt er die Obmannschaft im Zentralverband österreichischer Konsumvereine.

Nach dem Zusammenbruch der Monarchie bildet Renner als Staatskanzler die erste Regierung der Ersten Republik, die er bis zum Ende der Koalition mit den Konservativen anführt. Bis 1920 ist er auch Mitglied der Nationalversammlung. Als Leiter der österreichischen Delegation bei den Friedensverhandlungen von Saint Germain muss er sich den harten Bedingungen der Westmächte beugen.

Innerhalb der Sozialdemokratie widmet sich Renner in der Hauptsache wirtschaftlichen Fragen: er engagiert sich weiter in der Konsumgenossenschaft und gründet 1922 die "Arbeiterbank". Im Parteivorstand gilt er als Exponent des "rechten Flügels".

Am 12.2.1934 wird Renner verhaftet und für 100 Tage in Haft genommen. Eine Anklage wegen Hochverrats wird jedoch fallengelassen. Renner zieht sich nach Gloggnitz zurück und widmet sich wissenschaftlichen und literarischen Arbeiten. Am 3.41938 erscheint im "Neuen Wiener Tagblatt" ein Interview, in dem Renner den "Anschluss" Österreichs ans "Dritte Reich" begrüßt. Rückblickend scheint Renner mit dieser Erklärung sich, seine Familie und Parteifreunde vor politischer Verfolgung und Inhaftierung im Konzentrationslager Dachau geschützt haben zu wollen

Anfang April 1945 dringen die 3. Ukrainische Front und die 9. Gardearmee als erste alliierte Truppen über das Burgenland in den Raum Gloggnitz vor und schlagen in Hochwolkersdorf ihr Hauptquartier auf, um die Befreiungsschlacht um Wien vorzubereiten. Hier nimmt Renner Kontakt mit den sowjetischen Kommandanten Marschall Fjodor Tolbuchin und Generaloberst Zeltov auf, Stalin persönlich, der Renner noch von seinem Aufenthalt in Wien 1913 kannte und dessen Schriften über die "natinale Frage" studierte, soll entschieden haben, Renner neuerlich mit der Bildung einer Regierung und der Wiederherstellung der österreichischen Unabhängigkeit zu beauftragen. Am 20.4.1945 wird Renner in die Hietzinger Villa Blaimschein gebracht, wo er mit Vertretern der drei antifaschistischen Parteien, die sich zwischenzeitlich im befreiten Wien wieder gegründet hatten, Regierungsverhandlungen führt: mit Adolf Schärf von der Sozialistischen Partei, mit Leopold Kunschak von der Volkspartei und mit Johann Koplenig von den Kommunisten, die einige Schlüsselpositionen verlangen. Renners wird wie schon 1918 Staatskanzler, dem ein "Politischer Beirat" mit je einem Staatssekretär der drei Parteien zur Seite steht.

Bereits am 27.4.1945, während im Westen Österreichs noch gekämpft wird, proklamiert Renner die österreichische Unabhängigkeit und präsentiert die neue Regierung, die noch am selben Tag von den Sowjets anerkannt wird. In den folgenden Monaten sucht Renner die Anerkennung der Westalliierten und der demokratischen Kräfte in den westlichen Bundesländern. Mitte September 1945 stimmt der Alliierte Rat einer Länderkonferenz zu, in deren Verlauf die Vertreter aller Bundesländer die provisorische Regierung anerkennen. Mit einer Regierungsumbildung kommen nun auch Vertreter der westlichen Bundesländer in die Regierung. Es ist das persönliche Verdienst von Renner, dass bereits im November 1945 in Österreich als erstem befreitem Staat in Europa landesweite, demokratische Wahlen abgehalten werden. Aus diesen geht die Volkspartei als Wahlsiegerin hervor, die jedoch mit allen gewählten Parteien ein Konzentrationsregierung bildet. Renner selbst wird am 20.12.1945 von der Bundesversammlung einstimmig zum neuen Bundespräsidenten gewählt. Bis zu seinem Tod bleibt Renner eine Integrationsfigur, die stets die politische Zusammenarbeit, die Einhaltung der Demokratie, die Achtung der Menschenrechte und die volle Wiedererlangung der staatlichen Souveränität einmahnt. Im Oktober 1949 beschreibt der Londoner "Observer" Renners Rolle bei der Wiedererlangung der österreichischen Unabhängigkeit sehr treffend: "Er schien gerade der Mann zu sein, den die Russen benötigen: alt, sehr alt, sehr beliebt, lange nicht mehr in Berührung mit der praktischen Politik, eine Verbindung mit der Vergangenheit, eine respektable Fassade für eine Volksfront-Regierung, die rasch von einigen jungen, energischen Kommunisten erobert werden würde. Aber diesmal hatten die Russen den falschen Mann ausgewählt. Renner war mild, freundlich und verbindlich, auch bereit, einige Ministerposten den Kommunisten zu überlassen, aber durchaus befähigt, die Zügel in den eigenen Händen zu behalten."

 

Am Haus Praterstraße 8 weist eine Gedenktafel darauf hin, dass Renner von 1918 bis 1934 hier wohnte. 1956 wurde ihm zu Ehren die Ringstraße vor dem Parlament und dem Rathauspark in Dr.-Karl-Renner-Ring und die politische Akademie der Sozialdemokratie in Dr.-Karl-Renner-Institut benannt.