Das Parlament ist Sitz des Nationalrats und des Bundesrats, der Länderkammer.

 

Das Parlamentsgebäude wird in den Jahren 1874 bis 1883 nach Plänen von Theophil von Hansen im "griechischen Stil" erbaut. Um eine Säulenhalle im Zentrum gruppieren sich mehrere Trakte. An den Giebeln, der Attika und den Auffahrtsrampen ist es reich mit Skulpturen geschmückt, vor dem Haus befindet sich der 1898 bis 1902 von Carl Kundmann geschaffene Pallas-Athene-Brunnen.

Nach schweren Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg erfolgen der Wiederaufbau und die teilweise Neugestaltung in den Jahren 1945 bis 1956. Rechts vom Eingang in das Obere Vestibül befindet sich eine Gedenktafel für jene zwölf österreichischen Parlamentarierinnen und Parlamentarierer, die zwischen 1938 und 1945 vom nationalsozialistischen Regime ermordet wurden.

Als sich die sozialdemokratische Bewegung Ende des 19. Jahrhunderts formiert, besteht in Österreich noch das Kurienwahlrecht. Wahlberechtigt sind grundsätzlich nur Männer, die entweder eine bestimmte Mindeststeuer erbringen oder bestimmten Berufsgruppen (Priester, höhere Beamte, Offiziere, Ärzte, Juristen, Professoren.) angehören. 1880 sind daher nur 3,5 Prozent der Wiener Bevölkerung überhaupt wahlberechtigt. Die Wahlberechtigten sind in vier Gruppen - den so genannten "Kurien" - mit abgestuftem Stimmengewicht eingeteilt. Die Sozialdemokratie sieht den Kampf für das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht als eine ihrer Hauptaufgaben. 1894 fordert der Parteitag unter Androhung eines Generalstreiks die Errichtung einer fünften Kurie für alle Männer ab dem 24. Lebensjahr, die schreiben und lesen können, eine ständige Beschäftigung ausüben oder eine direkte Steuer bezahlen. 1896 wird diese allgemeine Kurie eingeführt. Bei den ersten Wahlen nach dem neuen Wahlrecht im Jahre 1897 entfallen auf die neue Kurie 72 von 425 Mandate,. Die Sozialdemokratie erhält insgesamt 14 Mandate,. Bei der Reichsratswahl 1901 erreicht die Sozialdemokratie in Wien zwei Mandate: Engelbert Pernerstorfer und Franz Schuhmeier ziehen als erste Wiener Sozialdemokraten ins Parlament ein.

Unter dem Eindruck der Ereignisse in Russland, wo die liberalen Kräfte die Einführung eines Parlaments erzwingen, kommt es Ende Oktober 1905 auf der Ringstraße zu mehreren großen Demonstrationen für das allgemeine Wahlrecht. Nachdem die Sozialdemokratie mit Generalstreik droht und die Eisenbahner mit "passiver Resistenz" beginnen, die den gesamten Verkehr lahm legt, verspricht die Regierung eine weitere Wahlrechtsreform. Die ersten Reichsratswahlen nach allgemeinem Wahrecht für Männer finden im Mai 1907 statt. Die Sozialdemokratie gewinnt 87 von 516 Sitzen; in Wien erringt sie mit 38,3 Prozent der Stimmen 10 von 33 Mandaten. Bei den Wahlen 1911 erreicht sie in Wien mit 19 Mandaten und 42,9 Prozent der Stimmen erstmals die Mehrheit. 

Nach dem Zusammenbruch der Monarchie konstituieren sich die Reichsratsabgeordneten der deutschsprachigen Gebiete als Provisorische National­versammlung. Diese beschließt am 12.11.1918 die Errichtung der demo-kratischen Republik Deutschösterreich. Vor dem Parlament versammeln sich an diesem historischen Tag Zehntausende Menschen, um die Ausrufung der Republik zu feiern. Als erstmals die neuen rotweißroten Fahnen aufgezogen werden, dringen Angehörige der "Roten Garde" zu den Fahnenmasten vor und schneiden die weißen Mittelstreifen aus den Fahnen. Bei den folgenden Tumulten fallen mehrere Schüsse. Die traurige Bilanz dieses Tages, der zu einem Festtag des neuen Österreich hätte werden sollen: zwei Tote und mehr als vierzig Verletzte.

1918 wird das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht für alle ohne Unterschied eingeführt. Bei der ersten freien Wahl am 16.2.1919 nehmen 82 Prozent der 1,904.741 wahlberechtigten Frauen und 87 Prozent der 1,649.501 wahlberechtigten Männer ihr Wahlrecht wahr. Von den 170 Abgeordneten sind 65 Sozialdemokraten und sieben Sozialdemokratinnen, 68 Mandatare, davon eine Frau, gehören der christlich-sozialen Partei an. Sozialdemokratie und christlichsoziale Partei bilden eine erste Koalitionsregierung, das Amt des Staatskanzlers wird Karl Renner übertragen. Am 17.10.1919 nimmt die Nationalversammlung den Friedensvertrages von St. Germain an, die Republik Österreich wird offiziell.

Die erste von einer Frau gehaltenen Rede im Hohen Haus hält Adelheid Popp und befasst sich mit der Abschaffung des Adels. Das erste von Frauen vorbereitete und eingebrachte Gesetz ist das Hausgehilfinnengesetz,

(c) Herbert Wagner (2007)
(c) Herbert Wagner (2007)

Am 1.10.1920 beschließt die Nationalversammlung einstimmig die von Hans Kelsen ausgearbeitete Bundesverfassung, die im wesentlichen bis heute den rechtlichen Rahmen der Republik Österreich darstellt. Die in der Verfassung verankerte starke Stellung des Parlaments ist jedoch vielen Christlichsozialen, die die Stellung der Regierung gegenüber der Gesetzgebung stärken wollen, ein Dorn im Auge, Nach langwierigen Verhandlungen kommt daher der Kompromiss der Zweiten Bundesverfassungs-Novelle 1929 zustande: die politische Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Nationalrat und die Möglichkeit des Misstrauensvotums bleiben zwar bestehen, aber bestellt wird die Bundesregierung fortan durch den Bundespräsidenten, dessen demokratische Legitimation durch unmittelbare Volkswahl gestärkt wird.

 

Im Juni 1920 zerbricht die Koalition zwischen den beiden großen Parteien an der schwierigen wirtschaftlichen und politischen Lage; Renners Versuche einer Erneuerung scheitern. Mit den Nationalratswahlen vom 17.10.1920 beginnen sich die politischen Machtverhältnisse nachhaltig zugunsten des rechten Lagers zu verändern. Die wachsende Feindschaft zwischen den politischen Lagern führt bald zu einer Verlagerung der politischen Auseinandersetzung auf die Straße und zu einer Militarisierung der Politik durch die Einrichtung von Wehrverbänden. Erster tragischer Höhepunkt dieser Entwicklung sind die Ereignisse um den Justizpalastbrand.

Eine Geschäftsordnungskrise des Nationalrats bietet der christlichsozialen Regierung Dollfuß den willkommenen Anlass, das parlamentarische System aus den Angeln zu heben. Im Zusammenhang mit einer umstrittenen Abstimmung treten am 4.3.1933 alle drei Präsidenten des Nationalrates zurück, ein Fall, für den die Geschäftsordnung keine Vorkehrung getroffen hat. Die Regierung, die im Nationalrat keine Mehrheit mehr besitzt, erklärt, der Nationalrat habe sich selbst ausgeschaltet, und regiert fortan unter Anwendung des Notverordnungsrechts des "Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes" ohne Parlament. Dollfuß steuert mit Unterstützung der Heimwehren bald einen autoritären Kurs; die Pressezensur wird eingeführt, der Verfassungsgerichtshof ausgeschaltet und das Standrecht ausgerufen, Anhaltelager werden eingerichtet. Der blutige Bürgerkrieg im Februar 1934 und die Verdrängung der Sozialdemokratie in die Illegalität machen schließlich jede Hoffnung auf Versöhnung und Verständigung zunichte. Das autoritäre Regime richtet ein Scheinparlament mit vier vorberatenden Organen und dem Bundestag als beschließendem Organ ein. Keines dieser Gremien ist vom Volk gewählt.

 

Am Beginn der Zweiten Republik steht wiederum Karl Renner, der am 27.4.1945 mit Vertretern der neugegründeten demokratischen Parteien die Unabhängigkeit der Republik Österreich proklamiert, eine provisorische Staatsregierung mit ihm an der Spitze bildet und die Verfassung von 1920 wieder in Kraft setzt. Die drei antifaschistischen Parteien sind die SPÖ (in der Tradition der Sozialdemokratie), die ÖVP (in der christlichsozialen Tradition) und die KPÖ (die kommunistische Kraft). Anerkannt wird die Regierung vorerst nur von der sowjetischen Befreiungsarmee, erst im Herbst können auch die Westalliierten überzeugt werden. Damit ist der Weg zu demokratischen Neuwahlen am 25.11.1945 frei. Mit dem Staatsvertrag vom 15.5.1955 erringt Österreich die volle Souveränität.

 

Mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union am 1.1.1995 übernimmt diese viele Rechtsbefugnisse innerhalb ihrer Zuständigkeit. Weite Bereiche des Wirtschaftsrechts, des Arbeits- und Sozialrechts sowie des Umweltrechts durch gemeinschaftliche Rechtsakte geregelt, das nationale Parlament kann diese vorgegebenen Richtlinien lediglich umsetzen.