Der am Schmerlingplatz befindliche Justizpalast wird in den Jahren 1875 bis 1881 von Alexander Wielemans von Monteforte im Stil der Neorenaissance erbaut. Besonders prunkvoll ist die Aula mit der zentralen Haupttreppe und den Wappen der ehemaligen österreichischen Kronländer. Die beiden Löwen über der Freitreppe und die Mamorstatue der Justitia mit vergoldetem Schwert und Gesetzbuch stammen vom Südtiroler Bildhauer Emanuel Pendel.

 

Historische Bedeutung erlangt der Justizpalast durch die Julirevolte am 15.7.1927, als er während einer Demonstration gegen die schändlichen Freisprüche der Mörder von Schattendorf (Schattendorfprozess) in Brand gesetzt wird.

Am 30.1.1927 wird im burgenländischen Schattendorf eine Gruppe Schutzbündler, die von einer Kundgebung zum Bahnhof marschiert, um von dort in die jeweiligen Heimatorte zurückzufahren, aus einem Gasthaus heraus beschossen. Dabei sterben der Kriegsinvalide Matthias Csmarits aus Klingenbach und der knapp achtjährige Josef Grössing aus Schattendorf (seine Schwester ist die Großmutter von Josef Ostermayer). Die meisten Wiener Großbetriebe stellen aus Protest gegen diese Mordtat ihre Arbeit für mehrere Stunden ein, und am 2.2.1927 organisieren Partei und Gewerkschaften einen vierstündigen Generalstreik. Die Täter von Schattendorf - der Wirt der Frontkämpferkneipe mit seinen Söhnen und seinem Schwager - können rasch ermittelt und vor Gericht gestellt werden. Der Prozess beginnt am 5.7.1927 und endet am Abend des 14.7.1927 mit dem völlig unerwarteten Freispruch der Täter. Bereits in den Morgenstunden des nächsten Tages kommt es vor dem Justizpalast zu Demonstrationen sozialdemokratischer Arbeiterinnen und Arbeitern aus den Wiener Außenbezirken. Die sozialdemokratische Führung wird von den Ereignissen völlig überrascht, es gibt keinerlei Vorkehrungen für einen regulären Ablauf der Kundgebungen. Nachdem die Demonstrantinnen und Demonstranten in der Nähe des Parlaments einen kleinen Polizeitrupp verjagen, lässt Polizeipräsident Schober berittene Polizei mit blanken Säbeln gegen die Arbeiterinnen und Arbeiter vorgehen. Die aufgebrachte Menge stürmt den Justizpalast; Aktenberge werden in Brand gesetzt und bald schlagen Flammen aus dem Gebäude. Auch eine Polizeiwache und das Redaktion der christlichsozialen "Reichspost" gehen in Flammen auf. Obwohl die Parteiführung sich bemüht, weitere Ausschreitungen zu verhindern, eröffnen 600 bewaffnete Polizisten das Feuer auf die Menge. Die genaue Zahl der Opfer des 15.7.1927 kann niemals ermittelt werden. Eindeutig belegt sind 89 Tote, darunter fünf Angehörige der Exekutive; die meisten übrigen Opfer waren Demonstrantinnen und Demonstranten, aber auch einige unbeteiligte Passantinnen und Passanten. Mehr als 600 Personen werden schwer, mehr als tausend leicht verletzt.

Im Anschluss an die blutigen Unruhen vor dem Justizpalast kommt es im 17. Wiener Gemeindebezirk Hernals zum Sturm auf mehrere Dienststellen der Polizei. Die Arbeiterinnen und Arbeiter protestieren gegen das Justizpalast-Gemetzel mit einem eintägigen Generalstreik, die Eisenbahninnen und Eisenbahner streikten zwei Tage lang - aber ohne Erfolg.

 

Die Julirevolte ist der Auftakt für den Untergang der Ersten Republik. Die sozialdemokratische Führung sieht ihre Hauptaufgabe darin, einen drohenden Bürgerkrieg zu verhindern. Damit haben die reaktionären Kräfte den späteren Bürgerkrieg bereits an diesem Tag gewonnen.

Es zeigt sich nämlich, dass die konservative Regierung sich rückhaltlos auf die Exekutive verlassen kann, und dass auch die Wiener Polizei bereit ist, mit allen Mitteln gegen Arbeiterinnen und Arbeiter vorzugehen. In Folge der Julirevolte wächst auch die Heimwehr-Bewegung an.

An die Opfer der Julirevolte erinnert ein Mahnmal am Wiener Zentralfriedhof. Zum 80. Jahrestag der Ereignisse wird in der Aula des Justizpalastes eine Gedenktafel enthüllt; der Text stammt vom Ehrenvorsitzenden der Naturfreunde, Bundespräsident Heinz Fischer:

"Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des Republikanischen Schutzbundes und der Frontkämpfervereinigung im burgenländischen Ort Schattendorf am 30. Jänner 1927 wurden zwei unschuldige Menschen getötet. Die Täter wurden freigesprochen. Im Zuge einer gewaltsamen Demonstration gegen dieses Urteil wurde der Justizpalast in Brand gesetzt. Die Polizei erhielt Schießbefehl, und 89 Personen kamen ums Leben. Die Ereignisse dieser Zeit, die schließlich im Bürgerkrieg des Jahres 1934 mündeten, sollen für alle Zeiten Mahnung sein."

 

Der ausgebrannte Justizpalast wird in den Jahren 1928 bis 1931 wiederaufgebaut, um ein zusätzliches Stockwerk ergänzt und der Eingang im Stil des Späthistorismus monumental hervorgehoben.

Von 1945 bis 1953 beherbergt der Justizpalast auch die Interalliierte Kommandantur Wien. In diesem Zeitraum finden auf dem Schmerlingplatz die monatliche Kommandoübergabe zwischen den Besatzungsmächten und die tägliche Überprüfung der Interalliierten Militärpatrouillen statt.

2007 wird das Gebäude - von der Straße aus nicht sichtbar - um ein weiteres Dachgeschoß aufgestockt. In diesem ist unter anderem ein öffentlich zugängliches Café direkt über dem Haupteingang untergebracht. Ebenfalls neu ist eine zentrale Bibliothek, die in Form einer "Lesebrücke" quer über einen der Innenhöfe gebaut ist. Heute befinden sich Im Justizpalast der Oberste Gerichtshof, die Generalprokuratur, das Oberlandesgericht Wien, die Oberstaatsanwaltschaft Wien und das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.