Die ersten beiden Jahrzehnte bis zum Ersten Weltkrieg ist die Zeit der Opposition der NATURFREUNDE. Wie die Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung insgesamt werden auch die Anliegen und Aktivitäten der NATURFREUNDE von den damals Herrschenden nicht anerkannt, sondern müssen gegen den Willen und die Taten der herrschenden Klassen erkämpft werden.

 

Der erste Sitz der NATURFREUNDE befindet sich in der Wohnung von Alois Rohrauer in der Stolzenthalergasse, dann in der Hasnerstraße 13 in Ottakring. Ende 1900 wird das erste NATURFREUNDE-Heim in der Löhrgasse 16 eröffnet. 1919 erfolgt der Umzug in die Neubaugasse 15 in Fünfhaus, 1926 in die damalige Karl-Marx-Straße 5. 1930 wird das Haus Diefenbachgasse 36 erworben. Bei der Eröffnung des neuen Sekretariats blickt Karl Renner auf eine eindrucksvolle Geschichte zurück:

"Wir sehen voraus, wie diese zukünftige Gesellschaft nicht mehr diktatorisch beherrscht, nicht mehr bürokratisch regiert wird, sondern in einer reichen Fülle von Sonderorganisationen sich selbst regiert. Und eine solche künftige Gesellschaft - das ist eben die Vollendung der Demokratie, die Verwirklichung des Sozialismus [...] Und jetzt wird uns klar, dass die Naturfreunde, wie alle Sportorganisationen, wie alle anderen kulturellen und geistigen Zweige der Arbeiterbewegung, nicht etwa den Abweg vom Ziel des Sozialismus, sondern die Vorbereitung des echten und rechten Sozialismus sind, des Sozialismus, der alle Seiten des menschlichen Daseins ergreift und in den demokratischen Organisationen gestaltet. So haben die Naturfreunde Recht behalten. Auf ihrem Gebiete sind sie die Pioniere des Sozialismus geworden, in dem sie der Arbeiterklasse die Natur, die Naturwissenschaften erobern und das politische Werk des Proletariats auf ihrem Sondergebiet wirkungsvoll ergänzen. An eine große Vergangenheit der Naturfreunde wird sich eine stolze Zukunft schließen."

 

Bereits im Juni 1897 wird in Steyr die erste NATURFREUNDE-Gruppe außerhalb Wiens gegründet. 1898 folgen Gruppen in Thurn (Böhmen), Floridsdorf, Neuberg an der Mürz und Rohrbach, später in Linz, Graz, Kapfenberg, Klosterneuburg und Liesing.

Das rege Vereinsleben der ersten Jahre wird vor allem vom Bildungshunger der Mitglieder bestimmt. Das Programm beschränkt sich nicht nur auf Wanderungen, sondern umfasst auch in Ergänzung zum Angebot der Volksbildung regelmäßige wissenschaftliche Vorträge über Klima, Wasser, die Entwicklung der Alpen, über Kartenkunde, die Alpenpoesie bei Friedrich Schiller, über die Vogelfauna im Bergwald und über viele Themen mehr. Die NATURFREUNDE gründen schon 1897 eine naturwissenschaftliche Gruppe und sind die ersten, die mit dem "Projections-Apparat Skioptikon", einer "Laterna Magica", Laternenbilder zeigen, was sie dem besonderen Engagement des Bäckergesellen Anton Kreutzer zu verdanken haben, der sich die Ausrüstung und Bilder mit seinen Ersparnissen angeschafft hat. Die NATURFREUNDE legen auch naturwissenschaftliche Sammlungen an und führen Büchereien, die manchen Naturfreundinnen und Naturfreunden eine "Hochschule" sind, in der sie lernen können, was sie in der Schule versäumt haben.

(c) NATURFREUNDE, Alois Rohrauer
(c) NATURFREUNDE, Alois Rohrauer

Ein wichtiger Teil des Vereinslebens ist auch die Kinder- und Jugendarbeit. Denn zu den Anfängen der Bewegung gibt es noch keine Kindergärten und auch die Kinderfreunde-Bewegung wird erst später begründet. Die NATURFREUNDE sorgen sich insbesondere um die Gesundheit der Kinder. Es gibt noch keine Schulwandertage, also organisieren die NATURFREUNDE unzählige Kinderwanderungen.

Die NATURFREUNDE sind eine Art Genossenschaft der Freizeit. Sie helfen bei der Gestaltung der Freizeit ihrer Mitglieder - in den verschiedensten Bereichen. Und auch wenn sie keine "Parteiarbeit" im engeren Sinn leisten, so sind sie doch wichtiger Bestandteil der Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung, und alle wissen, wo die NATURFREUNDE stehen.

1905 wird die erste Skischule gegründet, im Jahr darauf die Sektion Wintersport. Tausende Mitglieder erlernen auf den Wiesen im Wienerwald die Skitechnik nach Zdarsky.

Ab 1906 heißt der Verein offiziell "Touristenverein NATURFREUNDE Österreich (TVN)". Seit diesem Jahr führt er auch den Kampf um das freie Wegerecht im Bergland mit Vehemenz. Zu dieser Zeit werden Arbeiterinnen und Arbeiter bei ihren Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern angezeigt, wenn sie "Privatgrund" betreten. Regelmäßig erscheint in der Vereinszeitschrift die Rubruk "Der verbotene Weg". Der Jurist und Naturfreund Arthur Lenhoff belegt 1909 in einer Streitschrift, dass das Wegeverbot bereits durch das damals geltende Recht in Frage gestellt sei. Der Kampf zeigt acht Jahre später erste Erfolge: nach dem Ersten Weltkrieg wird in einigen Bundesländern das freie Wegerecht im Bergland gesetzlich verankert. Die freie Begehbarkeit des Waldes wird aber erst 1975 Realität.

1907 wird auf dem Padasterjoch in Tirol das erste NATURFREUNDE-Haus eröffnet.

Auch in Naturschutzfragen sind die NATURFREUNDE Vorreiter. 1910 wird der Naturschutz als Vereinziel in die Statuten aufgenommen. Regelmäßig erscheinen Artikel gegen die massive Waldabholzung ganzer Talschaften im Zuge des Bahnbaus. 1919 helfen die NATURFREUNDE auf Bitte des zum Staatskanzler ernannten Karl Renner beim Schutz des Lainzer Tiergartens, der in Gefahr steht, von der notleidenden Bevölkerung abgeholzt zu werden. Die NATURFREUNDE schaffen einen Ordnerdienst, der darauf achtet, dass nur abgefallenes Holz und Reisig gesammelt, aber keine Bäume geschnitten werden.